Kleine Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung :Warum gab es Ermittlungen gegen den früheren Leiter der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten? Und wie geht es weiter?

Vorbemerkung der Abgeordneten

Am 12.11.2020 berichtete die tageszeitung (taz) über eine Strafanzeige und ein folgendes Ermittlungsverfahren gegen den früheren Leiter der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten, Jens-Christian Wagner. Anlass war demnach eine Strafanzeige eines pensionierten Bundeswehroffiziers wegen Behauptung „ehrenrühriger Tatsachen zum Nachteil von früheren Wehrmachtssoldaten“. Die Strafanzeige bezog sich demnach auf einen Begleitband Wagners zu einer Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht, den er noch als Leiter der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten Anfang 2020 herausgegeben hatte. Seit Oktober 2020 ist er Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar.

Gegenüber Deutschlandradio Kultur äußerte Wagner: „‚Dass das ehrenrührig ist, wenn Wehrmachtseinheiten sich am Massenmord gegenüber Juden und Sinti und Roma beteiligen, das will ich ja gar nicht in Zweifel stellen‘. Aber dafür sei natürlich nicht derjenige verantwortlich, der in einem wissenschaftlichen Band von den Verbrechen berichtet.“ Wagner beklagt in dem Interview eine Diskursverschiebung nach rechts. „Dass die Wehrmacht sich in breitem Umfang an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt hat, sei ‚State of the Art der historischen Forschung seit vielen Jahren‘, sagt Wagner und ein Grundkonsens unserer Gesellschaft. Aber: ‚Der wird offensichtlich wieder infrage gestellt‘“, so Wagner.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat laut Bericht der taz die Ermittlungen nach einem Tag wieder eingestellt. 

 

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Aufnahme des Ermittlungsverfahrens gegen Wagner?

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat es vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens und Übersendung des Anhörungsbogens an Herrn Prof. Dr. Wagner leider versäumt, den Sachverhalt eingehender rechtlich zu prüfen. Nachdem dieser Fehler bemerkt worden war, wurde die erforderliche Prüfung unverzüglich nachgeholt, wobei die Staatsanwaltschaft Göttingen dabei zu dem Ergebnis gelangte, dass es zum einen an dem für die einschlägigen Straftatbestände der §§ 185 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB) erforderlichen Strafantrag nach § 194 StGB und zum anderen an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Herrn Prof. Dr. Wagner fehlte. Sie korrigierte daraufhin ihren Fehler sofort und stellte das Verfahren am 10.11.2020 ein. Hierüber setze sie Herrn Prof. Dr. Wagner mit Schreiben vom gleichen Tag in Kenntnis. Im Ergebnis handelt es sich um ein bedauerliches Versehen des sachbearbeitenden Dezernenten. 

 

2. Wie viele Verfahren wurden in den Jahren 2019 und 2020 in Niedersachsen aufgrund von „Verunglimpfung von Wehrmachtssoldaten“ eingeleitet?

Einen gesonderten Straftatbestand der „Verunglimpfung von Wehrmachtssoldaten“ gibt es nicht, es gelten die Straftatbestände des StGB, insbesondere die der §§ 185 ff. StGB. Weder in den Geschäftsstatistiken, in denen die Verfahren nach Sachgebieten erfasst werden, noch in der Strafverfolgungsstatistik, in der eine Erfassung nach Straftatbeständen erfolgt, liegen entsprechende Daten zur Beantwortung der o. g. Frage vor, vielmehr wären diese nur im Rahmen einer händischen Auswertung zu erheben. Eine solche händische Auswertung kann innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit und angesichts der Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften, deren Kernaufgabe die zügige und nachhaltige Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist, im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung nicht geleistet werden.

 

3. Wie war jeweils das Ergebnis?

Siehe Antwort zu Frage 2. 

(Teil II der Anfrage)

1. Wurde aufgrund der Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren gegen den Anzeigeerstatter wegen Volksverhetzung, übler Nachrede oder Verleumdung eingeleitet?

Nein. 

 

2. Wenn nein, warum nicht?

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat den Inhalt der Strafanzeige geprüft und gelangte hierbei zu dem Ergebnis, dass den Ausführungen des Anzeigeerstatters keine strafrechtliche Relevanz zukommt. 

 

3. Wurde der Text der Strafanzeige dem Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten weitergeleitet, damit dieser ein Disziplinarverfahren prüfen kann?

Nein. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer von Amts wegen vorzunehmenden Mitteilung liegen nicht vor. 

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