Kleine schriftliche Anfrage mit Antwort:Wie wird das Recht auf Unversehrtheit für intersexuelle Menschen in Niedersachsen geschützt?

Anlässlich des Leitartikels der Zeitschrift Asphalt „Nicht Mann, nicht Frau“ vom Mai 2015 wird das Thema Intersexualität erneut in den öffentlichen Fokus gerückt.

Anlässlich des Leitartikels der Zeitschrift Asphalt „Nicht Mann, nicht Frau“ vom Mai 2015 wird das Thema Intersexualität erneut in den öffentlichen Fokus gerückt. Denn auch noch in diesem Jahrhundert wird Intersexualität oftmals als nicht normal angesehen. Erst im Februar 2015 klagte eine Betroffene gegen ihre Ärzte, welche sie ohne Informationen zu ihrer Intersexualität mit Hormonen behandelten und operierten. Unter diesen Eingriffen leidet die Betroffene noch heute. Dieser gesellschaftliche Zustand kann durch die geringe und unzureichende Aufklärung über das Thema und die Lebenswirklichkeit der Betroffenen begründet werden, weswegen sich viele Interessenverbände und Unterstützungsorganisationen seit Langem für die Gleichstellung und Anerkennung der Betroffenen und ihrer Angehörigen einsetzen. Der deutsche Ethikrat hat in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2012 u.a. gefordert, das Personenstandsgesetz zu ändern, um Menschen, die sich nicht auf ein Geschlecht festlegen wollen oder können und die sich als intersexuell verstehen, Anerkennung zu gewährleisten. Die Landesregierung hat sich in der 16. Legislaturperiode im Bundesrat dafür eingesetzt, diese Änderung voranzubringen. Im Zuge der Novellierung des Personenstandsgesetzes hat der Bundestag am 1. November 2013 § 22 Abs. 3 „Fehlende Angaben“ wie folgt geändert: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“
Doch daraus ergeben sich erneut Schwierigkeiten und Rückschläge für Betroffene.
Vor allem der Druck, der Norm zu entsprechen, lastet auf Kindern und Eltern. Denn die Möglichkeit des Auslassens von Geschlecht im Geburtenregister wäre ein „Zwangsouting“ für die Betroffenen und bedeutet zugleich, sie wären nicht wie „normale“ Menschen mit einem klar definierten Ge-schlecht. Deswegen ist davon auszugehen, dass geschlechtsangleichende Operationen ohne Not-wendigkeit weiterhin frühzeitig an Kindern mit nicht zuzuordnenden Geschlechtsmerkmalen durch-geführt werden.
Im Zuge einer Unterrichtung (Drs. 16/5608) zum Antrag „Das Recht auf Unversehrtheit gilt auch für intersexuelle Menschen“ der SPD-Fraktion vom Februar 2012 wird von der damaligen Landesregie-rung aufgegriffen, inwieweit ca. fünf Monate später die gestellten Forderungen zur Information, Aufklärung und Sensibilisierung über das Thema „Intersexualität“ in möglichst vielen Gesellschaftsgruppen - von Schülerinnen und Schülern bis zu Medizinerinnen und Medizinern - umgesetzt wurden.
In der Antwort der Landesregierung wird von „schätzungsweise 4 000 intersexuelle(n) Menschen“ in Niedersachsen berichtet und von „etwa 20 bis 30 Kinder(n)“, die jährlich in Niedersachsen ohne ein definierbares Geschlecht geboren werden.

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