Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung :Wie viele Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem VW-Konzern gibt es in Niedersachsen?
Vorbemerkung der Abgeordneten
In den vergangenen Jahren gab es mehrfach gerichtliche Verfahren an verschiedenen niedersächsischen Gerichten in Zusammenhang mit dem VW-Konzern. Auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gab es mehrfach.
1. Welche Zivilverfahren sind an welchem niedersächsischen Gericht in Hinblick auf die geplatzte Übernahme des VW-Konzerns durch die Porsche-AG anhängig?
Bei dem 1. Kartellsenat des OLG Celle wird ein Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) geführt (13 Kap 1/16). Mit Blick auf dieses Verfahren sind sechs Verfahren, die beim Landgericht Hannover anhängig sind, ausgesetzt worden.
2. Wann wurde die Klage jeweils eingereicht?
Das zu 1. erwähnte Verfahren 13 Kap 1/16 wurde beim OLG Celle mit Eingang des Vorlagebeschlusses des LG Hannover vom 13.04.2016 - 18 OH 2/16 anhängig.
3. Wie ist der Verfahrensstand jeweils?
Im dem zu 1. erwähnten Verfahren 13 Kap 1/16 OLG Celle fanden bereits mehrere Termine zur mündlichen Verhandlung satt; weitere Fortsetzungstermine sind anberaumt.
4. Welche Zivilverfahren mit Beteiligung des VW-Konzerns sind an welchem niedersächsischen Gericht in Hinblick auf den sogenannten Dieselabgasskandal anhängig (Inklusive Verfahren nach dem Aktienrecht, Kaufrecht, Schadensersatzrecht)?
Bei niedersächsischen Zivilgerichten sind derzeit rund 7 700 Verfahren in den angesprochenen Zusammenhängen anhängig. Wegen der Komplexität der in der Frage angesprochenen Konstellationen war eine automatisierte Auswertung nur bedingt möglich und eine händische Identifizierung und Auswertung sämtlicher einzelner Verfahren in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Die nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht nach Gerichten und Eingangsjahren.
(Tabelle in Drucksache einsehbar, Link oben rechts)
5. Wann wurde die Klage jeweils eingereicht?
Vergleiche dazu Antwort auf Frage 4.
6. Wie ist der Verfahrensstand jeweils?
Vergleiche dazu Antwort auf Frage 4.
7. Welche Strafverfahren sind bei welchem niedersächsischen Gericht in Hinblick auf den sogenannten Dieselabgasskandal anhängig?
Bei der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig ist gegenwärtig das erste Strafverfahren im sogenannte NOx-Komplex gegen Prof. Dr. Winterkorn und weitere 4 Verantwortliche der Volkswagen AG wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u. a. anhängig (411 Js 49032/15).
Bei der 16. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig ist ein Strafverfahren wegen Marktmanipulation gegen Prof. Dr. Winterkorn sowie die Volkswagen AG als Nebenbeteiligte anhängig (411 Js 23888/16).
Bei der 11. großen Strafkammer des Landgericht Braunschweig ist das zweite Verfahren aus dem sogenannten NOx -Komplex wegen gewerbsmäßigen Betruges u. a. gegen sechs weitere Verantwortliche der Volkswagen AG anhängig (411 Js 63723/19).
Ebenfalls bei der 11. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig ist das dritte Verfahren aus dem sogenannten NOx-Komplex wegen gewerbsmäßigen Betruges u. a. gegen acht weitere Verantwortliche der Volkswagen AG anhängig (411 Js 48593/20).
8. Wann wurde jeweils Anklage erhoben?
Im Verfahren 411 Js 49032/15 hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig am 11.04.2019 Anklage zur großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig erhoben, im Verfahren 411 Js 23888/16 am 16.09.2019. Im Verfahren 411 Js 63723/19 wurde von der Staatsanwaltschaft Braunschweig am 02.01.2020 Anklage zur großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig erhoben und im Verfahren 411 Js 48593/20 am 18.09.2020.
9. Wie ist der Verfahrensstand jeweils?
Die Anklage im Verfahren 411 Js 49032/15 ist durch Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 08.09.2020 mit teilweise abweichender rechtlicher Bewertung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Das Landgericht hat Hauptverhandlungstermine ab dem 25.02.2021 bis - zunächst - Ende Januar 2023 festgesetzt.
Die Anklage im Verfahren 411 23888/16 wurde durch Beschluss der 16. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 24.09.2020 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Termin zur Hauptverhandlung wurde noch nicht bestimmt.
Über die Zulassung der Anklagen in den Verfahren 411 Js 63723/19 und 411 Js 48593/20 hat die 11. große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig noch nicht entschieden.
10. Welche strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind bei welcher niedersächsischen Staatsanwaltschaft in Hinblick auf den sogenannten Dieselabgasskandal anhängig?
Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig sind gegenwärtig noch 18 Ermittlungsverfahren anhängig, die im Zusammenhang mit der sogenannten Abgasaffäre stehen. Gegenwärtig werden umfangreiche Daten und Unterlagen daraufhin ausgewertet, ob sich ein hinreichender Tatverdacht für Straftaten, insbesondere Betrug, ergibt.
Bei der Staatsanwaltschaft Hannover ist im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Continental Automotive GmbH wegen Beihilfe zum mutmaßlich durch Verantwortliche der Volkswagen AG begangenen Betrug anhängig. Durchsuchungen haben im Juli und September stattgefunden. Weitere Angaben können aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gemacht werden.
Ein weiteres, aus dem sogenannten Dieselskandal hervorgegangenes Folgeverfahren wegen versuchten (Prozess-)Betruges und Beihilfe dazu führt gegenwärtig die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen Verantwortliche der Volkswagen AG und deren Prozessanwälte. Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf, in einem Zivilverfahren vor dem Landgericht Oldenburg als Beklagte wissentlich unzutreffend vorgetragen zu haben, die Volkswagen AG verfüge über keine Erkenntnisse dahingehend, dass vormalige Vorstandsvorsitzende im Zeitpunkt der Kaufentscheidung des Klägers (März 2015) von der Programmierung oder der Verwendung der Umschaltlogik Kenntnis gehabt bzw. diese gebilligt hätten. Das Verfahren basiert auf einer Strafanzeige des Prozessbevollmächtigten des Klägers aus dem vorbezeichneten Zivilverfahren. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. Eine systematische Erfassung entsprechender eher mittelbarer strafrechtlicher Folgeverfahren der letztgenannten Art erfolgt im Niedersächsischen Justizministerium nicht.
11. Wie ist der Ermittlungsstand jeweils?
Vergleiche dazu Antwort auf Frage 10.
12. Was unternimmt die Landesregierung, um die jeweiligen Gerichte und Staatsanwaltschaften ausreichend mit Personal- und Sachmitteln auszustatten?
Zur Bewältigung der VW-Verfahren wurden dem Oberlandesgericht und der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig für den jeweiligen Bezirk umfassend zusätzliche Sach- und Personalmittel zur Verfügung gestellt.
Sachmittel:
Im Haushalt 2017/2018 wurden für die Bewältigung des VW-Komplexes 1 706 000 Euro im Kapitel des Oberlandesgerichts Braunschweig veranschlagt. Diese Mittel sind für die Unterbringung und Ausstattung der personellen Verstärkung, also für die Herrichtung von Räumlichkeiten, Mobiliar, Anmietung Gerätschaften, besonderen Geschäftsbedarf sowie Umzugskosten vorgesehen.
Nicht verausgabte Restmittel wurden jeweils zu den Haushaltsjahreswechseln zu 100 % übertragen.
Zum 30.09.2020 beträgt der Haushaltsmittelbestand noch 1.202.375,39 Euro. Es wurden daher im Zusammenhang mit der Bewältigung des VW-Komplexes bislang 503.624,61 Euro Sachmittel verausgabt.
Außerdem erhalten das Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig zur Abdeckung weiterer allgemein anfallender Sachausgaben derzeit zusammengefasst jährlich 243.000 Euro.
Personalmittel:
Ab dem Haushalt 2017/2018 sind außerdem kontinuierlich Personalverstärkungen zur Bewältigung der Mehrbelastung aufgrund des VW-Komplexes erfolgt.
Aktuell stehen mit dem Haushaltsplan 2020 folgende Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten zusätzlich zur Verfügung:
a) Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig:
11,5 Planstellen für den Staatsanwaltsdienst,
0,5 Beschäftigungsmöglichkeit für eine/n Wirtschaftsprüfer/-in,
2,0 Beschäftigungsmöglichkeiten für Serviceeinheiten.
b) Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig:
31,5 Planstellen für den Richterdienst,
1,0 Planstelle für den Rechtspflegerdienst,
16,5 Beschäftigungsmöglichkeiten für Serviceeinheiten,
7,0 Planstellen für den Wachtmeisterdienst.
In den Bezirken der Oberlandesgerichte und Generalstaatsanwaltschaften Celle und Oldenburg sind keine VW-spezifischen Verstärkungen erfolgt.