Kleine anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung:Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur akuten Senkung des niedersächsischen Energiebedarfs? (Teil 2)

Vorbemerkung der Abgeordneten
„Angesichts der möglichen Folgen für die Energieversorgung Niedersachsens durch den russischen
Angriffskrieg auf die Ukraine und der zeitnahen Realisierung eines LNG-Terminals in Niedersachsen
hat der Niedersächsische Energieminister Olaf Lies heute die Einsetzung von zwei Ad-hoc-
Taskforces veranlasst. Die Taskforce ‚sichere Energieversorgung‘ wird sich mit den Fragen der Versorgungssicherheit Niedersachsens und den notwendigen energiepolitischen Folgen aus dem Ukraine-Konflikt beschäftigten. Die Taskforce ‚LNG Wilhelmshaven‘ soll seitens der Landesregierung die
Planung, Genehmigung und Umsetzung der aktuell diskutierten Green-Gas-Ready LNG-Projekte unterstützen“, heißt es in einer Pressemeldung des niedersächsischen Umweltministeriums vom 1. März 2022.
1. Welche zusätzlichen Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den Energiever-
brauch der landeseigenen Gebäude kurzfristig zu senken bzw. deren Energieversorgung
auf erneuerbare Quellen umzustellen?

Die Senkung des Energieverbrauchs sowie die Steigerung der Energieeffizienz der Landesliegenschaften ist im Hinblick auf Energie- und Kosteneinsparungen, den Klimaschutz sowie die Vorbildfunktion des Landes von besonderer Bedeutung. Die in den vergangenen Jahren durchgeführten energetischen Sanierungsmaßnahmen in den landeseigenen Gebäuden haben bereits zu einem kontinuierlichen Rückgang des Energieverbrauchs geführt. Dazu zählen sowohl energetische Sanierungen, die im Rahmen der Bauunterhaltung umgesetzt werden, als auch diverse energetische Sanierungsprogramme der vergangenen Jahre, die die Energieeffizienz der Landesliegenschaften verbessern und zur Senkung des Energieverbrauchs kontinuierlich beitragen.
Um den Energieverbrauch zu senken und die Nachhaltigkeit sowie den Klimaschutz im Landesbau
weiter voranzubringen, wurde kurzfristig und zusätzlich ein Vier-Punkte-Plan entwickelt, der den
Energieverbrauch der landeseigenen Gebäude weiter senken und die Erzeugung und den Einsatz
von erneuerbaren Energien erhöhen soll. Mit dem Vier-Punkte-Plan können in den landeseigenen
Gebäuden weitere erhebliche Energieeinsparungen und eine Reduzierung beim Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase (CO2) erreicht werden.
Als erster Aspekt des Vier-Punkte-Plans soll ein effizientes Flächenmanagement umgesetzt werden.
Neue Arbeitsmodelle wie „mobile working“, die Ausweitung von Telearbeitsplätzen und die zunehmende Digitalisierung der Arbeitsabläufe ermöglichen eine deutlich effizientere Flächennutzung als
dies bislang möglich war. Die angestrebte 10%ige Reduzierung der Büroflächen des Landes (bis
2030) verringert nicht nur den Energiebedarf, sondern zusätzlich den Finanzbedarf für energetische
Sanierungen sowie auch die Betriebs- und gegebenenfalls Mietkosten langfristigEin weiterer zentraler Aspekt des Vier-Punkte-Plans ist die Photovoltaikoffensive des Landes. PV- Anlagen sind finanziell dann attraktiv, wenn der erzeugte Solarstrom überwiegend am Ort der Erzeugung selbst verbraucht wird. Dieses Potenzial gilt es, marktnah, staatsfern und großvolumig für das Land zu heben, um eine schnellstmögliche und wirtschaftliche Umsetzung zu gewährleisten. Dafür bietet sich die Beschaffung über Modelle wie z. B. Pacht und Leasing- sowie Contracting-Modelle
an. Ein dritter Aspekt: Jährlich stellt das Land für große Neu-, Um- und Erweiterungsmaßnahmen im
Einzelplan 20 Haushaltsmittel i. H. v. rund 75 Millionen Euro zur Verfügung. Damit werden ganz
überwiegend Neubaumaßnahmen realisiert. Hier bedarf es einer neuen Prioritätensetzung im Hinblick auf den Ressourceneinsatz. Prioritätensetzung heißt, zukünftig mehr Finanzmittel für die energetische Ertüchtigung von Gebäuden bereitzustellen. Der vierte Aspekt folgt dem Prinzip „worst first“ - die Investitionen werden entsprechend den Energieeinsparpotenzialen sowie der CO2-Effizienz priorisiert werden. Über die vorliegenden Verbrauchsdaten der Gebäude können diese bewertet und kann ein logischer Sanierungsfahrplan erarbeitet und umgesetzt werden.
Der Vier-Punkte-Plan gewährleistet über die bisherigen Anstrengungen hinaus eine weitere Reduzierung des Energieverbrauchs, die Erreichung der Klimaziele des Landes unter gleichzeitiger Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des Landeshaushalts. Darüber hinaus soll künftig bei allen Neubaumaßnahmen und umfangreichen Modernisierungen des Landes der Einsatz von erneuerbaren Energieträgern, z. B. Wärmepumpen, Fernwärme oder feste Biomasse (z. B. Holz), umgesetzt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass zukünftig die Energieversorgung, sofern dies technisch möglich ist, überwiegend aus erneuerbaren Quellen erfolgt.
2. Welche zusätzlichen Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den Ausbau der erneuerbaren Energien kurzfristig zu beschleunigen (bitte gegebenenfalls hilfsweise angeben, welche Maßnahmen geplant sind bzw. geprüft werden, um die Energieversorgung für den nächsten und übernächsten Winter abzusichern)?
Die Landesregierung hat bereits im Vorfeld des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine Weichenstellungen und Maßnahmen vorgenommen bzw. auf den Weg gebracht oder bei entsprechender
Regelungskompetenz des Bundes dort für selbige geworben, um den bereits aus energie- und klimapolitischen Zielen dringend gebotenen und im überragenden öffentlichen Interesse liegenden
Ausbau der erneuerbaren Energien weiter zu beschleunigen.
Beispielsweise treibt die Landesregierung den verstärkten Ausbau der Windenergie an Land voran.
So wurde etwa der Windenergieerlass des Landes novelliert, um für die Beteiligten Rechtssicherheit
und damit auch Planungssicherheit zu stärken und darüber hinaus Verfahren zu vereinfachen und
zu beschleunigen. Niedersachsen verfolgt das Ziel, dass bis zum Jahr 2030 1,4 % der Landesfläche
planerisch für Windenergie an Land zur Verfügung gestellt werden soll. Ab 2030 sollen 2,1 % der
Landesfläche zur Verfügung stehen. Diese Zielmarken sind als energiepolitisches Ziel im überarbeiteten Windenergieerlass fixiert und sollen noch im laufenden Jahr als Grundsatz der Raumordnung
in das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen aufgenommen werden.
Mit der Novellierung des Landes-Raumordnungsprogramms ist zudem eine behutsame Ermöglichung der Windenergie in Wäldern verbunden, die den Spielraum der kommunalen Planungsträger
bei der Suche nach möglichst verträglichen Standorten für Windenergienutzung erweitert und dabei
auch geeignete Forststandorte mit einbezieht. Verfahrensvereinfachungen werden auch an anderen
Stellen, etwa in der NBauO mit der Anpassung von Grenzabstandsregelungen, ermöglicht. Zudem
setzt sich das Land auf Bundesebene dafür ein, dass Ausbauziele für die Windenergie an Land in
erforderlicher Weise fortgeschrieben werden.
Der möglichst schnelle Ausbau der Photovoltaik (PV) ist ebenfalls nicht erst seit den Ereignissen in
der Ukraine im Fokus der Landesregierung. Im vergangenen Jahr wurde die Nutzung der Dachflächenpotenziale forciert, indem das mit 75 Millionen Euro hinterlegte PV-Batteriespeicher-Förderprogramm den Neubau bzw. die maßgebliche Erweiterung von über 19 000 Aufdachanlagen mit jeweils
mindestens 4 kWp Leistung angereizt hat. Daneben verbessert die Landesregierung fortlaufend dieVoraussetzungen für den zügigen Zubau von PV. Zu nennen sind dabei etwa die Einführung bestimmter gesetzlicher PV-Pflichten und die Verringerung von Mindestabständen im niedersächsischen Baurecht, die im NKlimaG verankerte Ausstattungsziele für die landeseigenen Liegenschaften sowie die geplante Einführung größerer Handlungsspielräume bei regionalplanerischen Entscheidungen über Standorte von Freiflächen-PV im neuen Landes-Raumordnungsprogramm.
Diesen Kurs gilt es, in Anbetracht der geopolitischen Entwicklungen nun umso konsequenter und indeutlich beschleunigtem Maße weiterzuverfolgen. Dazu gehört auch die Unterstützung der bundespolitischen und -rechtlichen Prozesse zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Planungs- und Genehmigungsverfahren seitens Niedersachsen. Die Landesregierung steht hierzu in engem Austausch insbesondere zu BMWK und BMUV sowie den anderen Ländern. Neben einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien trägt auch der Aufbau einer starken Wasserstoffwirtschaft maßgeblich zur Diversifizierung der Energieversorgung und somit zur Verbesserung der Energiesicherheit bei. Ein Kernelement hierfür stellt die geplante Förderung von grenzüberschreitenden Vorhaben im Bereich Wasserstofftechnologien und -systeme u. a. über sogenannte Important Projects of Common European Interest (IPCEI) bzw. nach der Beihilfeleitlinie für
Klima, Umwelt und Energie (KUEBLL) dar. Die Finanzierung dieser gemeinsam von Bund und Ländern geförderten Projekte soll nach derzeitigem Stand auf Bundesebene in Höhe von 70 % übernommen werden, die Bundesländer sollen sich mit einer Kofinanzierung in Höhe von 30 % beteiligen.
Die Landesregierung arbeitet aktuell daran, die Schaffung der erforderlichen haushaltsrechtlichen
Ermächtigungen zeitnah auf den Weg zu bringen, sodass die Vorhaben nach erfolgter Notifizierung
durch die EU zügig starten können.
Bereits seit September 2020 fördert das Land Niedersachsen über die Wasserstoffrichtlinie Pilot- und
Demonstrationsvorhaben im Bereich der Wasserstofftechnologie mit einem Investitionszuschuss von
bis zu 8 Millionen Euro. Bei diesen Vorhaben und Projekten geht es darum, aus den unterschiedlichsten Bereichen der Energiewirtschaft konkret marktfähige Lösungen für Wasserstoffanwendungen in Niedersachsen umzusetzen und anzuwenden, um den Markhochlauf dieser Technologien voranzutreiben.
Parallel zu den Aktivitäten einer beschleunigten Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare
Energiequellen bedarf es Koordinierungs- und Vorsorgemaßnahmen für die kurzfristige Perspektive.
Das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) hat entsprechend die zwei in der
Anfrage genannten Taskforces initiiert. Für nähere Informationen zu diesen wird auf die Antwort der
Landesregierung zur Anfrage „Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur akuten Senkung
des niedersächsischen Energiebedarfs? (Teil 1)“ verwiesen.
Ein zentraler Baustein zur Absicherung der Energieversorgung für den nächsten und übernächsten
Winter sind gesetzliche Vorgaben für die Befüllung von Gasspeichern. Der Bundestag hat am
25.03.2022 den von den Regierungsfraktionen eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen“
beschlossen. Der Gesetzentwurf hat am 08.04.2022 den Bundesrat passiert und ist am 01.05.2022
in Kraft getreten. Die Landesregierung begrüßt die Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen. Ergänzend wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Was wird
die Landesregierung konkret gegen leere Gasspeicher unternehmen?“ vom 22.03.2022
(Drs. 18/11000) verwiesen.
Überdies ist eine schnellstmögliche Diversifizierung der Gasimporte erforderlich, die den Aufbau
neuer Importinfrastruktur für Gas umfasst. Dazu hat die Bundesregierung entsprechende Planungen
zum Aufbau von LNG-Importkapazitäten vorgesehen. In Niedersachsen gibt es an den Standorten
Wilhelmshaven und Stade Planungen zum Aufbau von LNG-Importkapazitäten. Die künftige Nutzbarkeit für grüne Gase wird dabei mit betrachtet. Derzeit erfolgen die Planungen zum Aufbau und Betrieb der sogenannten FSRUs (Floating Storage and Regasifaction Units) für den Import von LNG (Liquified Natural Gas) in Wilhelmshaven, zeitgleich
erfolgt die Planung zum Bau der notwendigen Infrastrukturen an Land zum weiteren Transport der Gase.
Die Firma Open Grid Europe GmbH plant die Verlegung und den Betrieb der etwa 26 km langen
LNG-Anbindungsleitung WAL (Wilhelmshaven-Anschluss-Leitung) vom Bereich Voslapper Groden Nord im Norden von Wilhelmshaven zur Norddeutschen Erdgas Transversale (NETRA) am Speicher
Etzel bei Friedeburg (Landkreis Wittmund). Der Antrag für das zu führende Planfeststellungsverfahren ist beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) am 29.04.2022 eingegangen.
Die Auslegung der Antragsunterlagen erfolgt ab dem 05.05.2022. Die Zielplanung sieht die LNGAnlieferung in Wilhelmshaven in dem Zeitraum von Ende des Jahres 2022 bis Anfang des Jahres 2023 vor.
Zur Begleitung dieses Vorhabens wurde im MU ein Lenkungsausschuss eingerichtet. Der Lenkungsausschuss setzt sich zusammen aus MU, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, Genehmigungsbehörden des Landes Niedersachsen, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG (NPorts) und den Vorhabenträgern von Uniper und OGE. Die Sitzungen finden regelmäßig wöchentlich statt

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