Rede Julia Willie Hamburg: Resolution "Neonazis in Bad Nenndorf"

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Bad Nenndorf August 2006: Zum ersten Mal finden sich Neonazis in Bad Nenndorf zu ihrem sogenannten „Trauermarsch“ zusammen, um das Wincklerbad als Pilgerstädte ihrer menschenverachtenden, geschichtsrevisionistischen Ideologie zu etablieren. Angemeldet haben sie diesen Aufmarsch bereits heute bis zum Jahr 2030.

Bad Nenndorf August 2007: Die Polizei sieht sich wegen der großen Menge gewaltbereiter Neonazis nicht in der Lage sehen, die GegendemonstrantInnen bei Auflösung des Trauermarsches zu schützen. Das Mobilisierungs- und Gewaltpotential der Neonazis wurde unterschätzt.

Bad Nenndorf August 2011: Sogenannte autonome Nationalisten reisen im Anschluss an den sogenannten Trauermarsch nach Bielefeld, um hier ihr Gewaltbedürfnis gegenüber Menschen, die nicht in ihr Weltbildpassen, ausleben zu können.

Bad Nenndorf August 2012: Ein Stein wird durch das Fenster der 2. Vorsitzenden von Badnenndorf ist bunt geschmissen, daneben werden Nazischmierereien hinterlassen. Einer von mehreren Einschüchterungsversuchen, mit denen Nazis in Bad Nenndorf versuchen, die Gesellschaft in dem Städtchen einzuschüchten.

Bad Nenndorf August 2013: Der Neonazi Dieter Riefling ruft über ein Megaphon dazu auf, GegendemonstrantInnen, die sich in einer Pyramide auf der Straße angekettet haben, die Finger abzuschneiden. Anschließend läuft der Neonaziaufmarsch unter lautem Gröhlen antisemitischer Parolen zurück zum Bahnhof.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das was ich hier ausführe, das wissen Sie, es sind nur Ausschnitte der Gewalt und Menschenverachtung rund um den Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf. Das Gewaltpotenital und der Hass derer, die sich auf diesem Aufmarsch tummeln, sind hoch, das Vorstrafenregister lang. Neonazis sind eine akute Gefahr für alle, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen oder die von ihnen als weniger wert deklariert werden. Das zeigt auch die erschreckende Zunahme von Brandanschlägen auf Wohnunterkünfte von Geflüchteten, auf Synagogen und Moscheen.

Das Wincklerbad mit seiner Geschichte, als ehemaliges Verhörzentrum des britischen Militärgeheimdienstes, dient hier als Symbol und Wallfahrtsort von Neonazis europaweit. Die Schuld deutscher Täter, wie Oswald Pohl, soll hier relativiert, die Geschichte und die deutsche Schuld an Holocaust und Vernichtungskrieg negiert werden. Und dieser Oswald Pohl beispielsweise, ist jemand, von dem die Richter der Nürnberger Prozesse sagen, dass kein zweiter in Deutschland so viel über die Details von Konzentrationslager wusste. Sie schreiben übersetzt: „Sein Beitrag war mehr als Zustimmung. Es war aktive Partizipation.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu beobachten, wie sich nun Neonazis hinstellen und die Geschichte erst 1945 beginnen lassen, um eine angebliche Besatzung anstatt Befreiung herbeizureden, strotzt nur so von Menschenverachtung, Geschichtsrevisionismus und Hohn gegenüber den Opfern. Es ist einfach nicht zu ertragen.

Zum zehnten Mal nun wollen Neonazis vor das Wincklerbad ziehen und den Raum für ihre rechte Propaganda einnehmen. Nach dem deren Aufmarsch im Jahr 2010 auf nahezu 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angewachsen war, hatten wir in Niedersachsen damit den drittgrößten, regelmäßigen Aufmarsch von Neonazis bundesweit. Größer waren nur noch die Aufmärsche in Dresden und in Magdeburg. Dass dieser Aufmarsch nun auf ein Fünftel des Standes von 2010 geschrumpft ist, verdanken wir den in Bad Nenndorf gesetzten Zeichen der Ablehnung, einer aktiven Zivilgesellschaft in Bad Nenndorf und aus ganz Niedersachsen. Dem kreativen, vielfältigen Widerstand der letzten Jahre kann man gar nicht genug Anerkennung zollen. Vor diesem Hintergrund freue ich mich auch sehr, dass Frau Berger und Frau Kramp von Bad Nenndorf ist bunt heute hier sind und dieser Debatte hier folgen. Es ist vor allem dem jahrelangen zivilgesellschaftlichen Engagement zu verdanken, dass dieser Naziaufmarsch schrumpft und hoffentlich bald Geschichte sein wird. Meinen herzlichen Dank an dieser Stelle für Ihr Engagement.

Ohne die kreativen Aktionen vieler hunderter und tausender Menschen in Bad Nenndorf, die die Stadt bunt statt braun schmücken, die laute Partys entlang der Strecke des als Trauermarsch inszenierten Aufmarsches veranstalten, ohne die vielfältigen Proteste und die deutlichen Aktionen gegen die Neonazis, wäre Bad Nenndorf wohl immer noch mit dem drittgrößten Aufmarsch in ganz Deutschland konfrontiert. Was für ein wunderbares Signal geben Sie gegen diese gewaltbereiten Hetzer ab: Sie, tausende von Menschen, die aus dem Sportverein, den Gewerkschaften und Kirchen, aus migrantischen Verbänden und politischen Gruppen, aus Parteien und den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Spektren gemeinsam gegen die Neonazis auf die Straße gehen! Sie zeigen den Neonazis: wir überlassen euch nicht den öffentlichen Raum, nicht die Stadt und nicht die Straße.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, mit allen Fraktionen des Niedersächsischen Landtages eine gemeinsame Resolution auf den Weg zu bringen, die sich klar gegen diese geschichtsrevisionistischen Aufmärsche in Bad Nenndorf positioniert, aber auch gegen rechtsextreme, antisemitische und rassistische Ideologie und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Wir stärken damit gemeinsam denjenigen den Rücken, die sich seit Jahren gegen die Neonazis engagieren. Sehr geerhter Herr Watermann, sehr geehrter Herr Nacke und Herr Oetjen, ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen persönlich stellvertretend für ihre Fraktionen für die konstruktive, gute Zusammenarbeit bedanken!

Dieses Signal, dass für Neonazis und Geschichtsrevisionisten kein Platz ist, braucht es! Es ist richtig und wichtig, dass wir zusammen deutliche Worte finden. Zehn Jahre nach dem Beginn der Aufmärsche lässt das Interesse der Öffentlichkeit langsam nach. In den Medien wird weniger berichtet und es ist wohl auch langjährigen Aktiven gegen die Neonazis klar, dass zehn Jahre dagegenhalten auch Ermüdung mit sich bringen. Dabei ist es gerade jetzt wichtig, diese Signale weiterhin mehr als deutlich zu machen: ihr Neonazis braucht es gar nicht weiter versuchen! Für euren Geschichtsrevisionismus, eure Menschenverachten, euren Rassismus und Antisemitismus ist in unserer Gesellschaft kein Platz! Wir überlassen euch nicht den Raum! Wir sind tolerant und weltoffen, demokratisch und nächstenliebend.

Wir rufen heute zusammen dazu auf: Zeigen auch Sie am ersten August diesen Jahres ihre deutliche Ablehnung gegenüber Neonazis und ihrer Propaganda. Ich werde am 1. August in Bad Nenndorf sein und freue mich über Ihre Begleitung.

Herzlichen Dank.

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