Rede Julia Hamburg: „Demokratie braucht politische Bildung“ - Niedersachsen braucht wieder eine Landeszentrale für politische Bildung!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Niedersachsen wird endlich wieder eine Landeszentrale für politische Bildung haben – endlich wird die Rolle der politischen Bildung für unsere Gesellschaft anerkannt und die politische Bildung gestärkt.

Als wir diese Meldung in der letzten Woche in einer Pressekonferenz bekannt gegeben haben, ereilten uns viele, viele Zuschriften, Freudens- und Interessensbekundungen – dieser Umstand macht deutlich: Niedersachsens Bürgerinnen und Bürger freuen sich, dass wir unser Wahlversprechen einlösen und Ihren Fehler der Zerschlagung der politischen Bildung in Niedersachsen beheben.

Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hat im Jahr 2004 die Landeszentrale für politische Bildung kaputt gemacht, ersatzlos rasiert. Dieser Vorgang war einmalig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einmalig falsch! Nach der Zerschlagung der Landeszentrale wurde die Aufgabe der politischen Bildung von verschiedenen Trägern versucht zu kompensieren. An dieser Stelle ist es mir ein besonderes Bedürfnis, der breit gefächerten Trägerlandschaft, die unter erschwerten Bedingungen politische Bildung im Land weiter organisiert haben, ganz herzlich zu danken. Stellvertretend nimmt heute Frau Sanner vom VNB an dieser Debatte teil, die ich recht herzlich begrüßen möchte.

Die Aufgaben konnten aber nicht vollständig nach dem Wegfall der Landeszentrale aufgefangen werden. Unter schwierigen Bedingungen haben verschiedene Akteure draußen im Land versucht, politischer Bildung auch außerhalb der Schulen einen wichtigen Stellenwert in diesem Land zu geben – manches ist allerdings auf der Strecke geblieben. Und Ihre Schwerpunktsetzung, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP war auch schlicht falsch: Sie haben befördert und zugelassen, das ausgerechnet der Verfassungsschutz entstandene Lücken kompensiert. Was haben Sie sich bitte dabei gedacht? Politische Bildung soll Menschen zur Mündigkeit befähigen, von Demokratie begeistern – und deshalb muss auch ihre Struktur unabhängig und kritisch sein. Der Verfassungsschutz ist hier ja wohl eindeutig nicht die richtige Behörde, die das leisten kann. Deshalb ist es so unglaublich richtig und wichtig, dass wir diese Fehlentscheidung rückgängig machen.

Wir erleben derzeit mit PEGIDA, Hass und Gewalt gegen Geflüchtete einen dominanten Rechtsruck in der Gesellschaft. Aber auch die Entwicklungen im Salafismus haben uns in diesem Landtag schon häufig beschäftigt. Wir erleben in unserem Land eine zunehmende Demokratiemüdigkeit – das ist eine gefährliche und traurige Entwicklung, der man mit Begeisterung für Politik und dem Leben von Demokratie begegnen muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer wenn nicht wir wissen, wie zentral es ist und wie bedeutsam, sich politisch einzubringen und für die eigenen Interessen einzustehen.

Politik ist im Zeitalter der neuen Medien schnelllebiger und unübersichtlicher geworden. Wir alle wissen, dass die Meldungen vielfältig, widersprüchlich und ungefiltert durch die Öffentlichkeit schweben und selbst wir als Politiker oftmals zu Themen Stellung beziehen sollen, zu denen wir bis dahin lediglich eine Twittermeldung zur Kenntnis nehmen konnten. Gerade diese riesige Masse an Informationen, die heute zur Verfügung stehen, machen deutlich, wie wichtig es bei der politischen Bildung ist, auch einen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Medienkompetenz zu legen. Wir müssen junge Menschen fit machen, darin einzuordnen, was sie in den Medien lesen – die derzeitige Debatte um rassistische Hetze auf Facebook macht diese Notwendigkeit wieder einmal mehr als deutlich.

Diese Schnelllebigkeit in der Entwicklung unserer Gesellschaft und der politischen Debatten zeigt aber auch die Notwendigkeit, politische Bildung und ihre Vermittlung neu zu entwickeln. Deshalb wollen wir eben nicht mit der Landeszentrale für politische Bildung zurück in die romantische Vergangenheit. Mit einem Aufguss der Landeszentrale von vor elf Jahren werden wir den Herausforderungen und Ansprüchen der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Mit dem Drucken von Broschüren und dem Angebot frontaler Bildungsmaßnahmen holen wir kaum einen Menschen hinterm Ofen hervor.

Der Neuanfang der Landeszentrale ist eine große Chance: Eine Chance für die Entwicklung neuer Formate, eine Chance für neue Impulse in der politischen Bildung und eine Chance, die Angebote der politischen Bildung in Niedersachsen zu stärken, zu bündeln und zu koordinieren. Die Träger der politischen Bildung sollen gestärkt und vernetzt werden, sie sollen endlich wieder Anerkennung für ihre Arbeit erhalten. Wir wollen eine moderne Landeszentrale, eine frische und flexible Landeszentrale, die den gesellschaftlichen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht wird. Wir wollen eine Landeszentrale, die Bedarfe aufspürt, Angebote koordiniert, weiße Flecken in Niedersachsen behebt und politische Bildung stärkt. Und wir wollen eine Landeszentrale, die als Ideenschmiede fungiert – sich als Impulsgeber und Servicestelle versteht.

Kurz: Wir wollen eine Landeszentrale die Politik und Demokratie in Niedersachsen wieder so richtig attraktiv macht.

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.

Zurück zum Pressearchiv