Rede Julia Hamburg: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zur Ehe für alle

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

„Es ist Zeit“, sagt die derzeit wohl größte und berühmteste Petition, die fordert: Es sei Zeit, die Ehe in Deutschland auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. „Es ist Zeit“ sagt auch eine große Mehrheit der Deutschen Bevölkerung, ja, laut Deutschlandtrend sogar eine Mehrheit der CDU-Anhänger. „Es ist Zeit“ befanden die Iren in ihre Volksabstimmung und brachten damit eine in Deutschland bereits lange geführte Debatte wieder ins Rollen. Und tatsächlich meine lieben Kolleginnen und Kollegen wird es nun Zeit, die Öffnung der Ehe für alle Menschen, die eine Ehe schließen wollen, endlich umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich sehr die Bundesratsinitiative unserer Landesregierung, die die Zeichen der Zeit erkennt und nun im Bundesrat erneut beantragt, gleiche Rechte für alle Paare gesetzlich zu verankern. In dem offenen Brief vieler Prominenter an die Kanzlerin, der vorgestern veröffentlicht wurde, schreiben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner: „Das Licht der Aufklärung lässt sich nicht wieder verdunkeln.“ Und genau das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion ist doch der Punkt, den Sie nicht wahrhaben wollen. Es bringt überhaupt nichts, dass Sie versuchen die Lebensrealitäten wegzureden. Dass Sie aus Überzeugungen und Bauchgefühlen das Recht auf Gleichbehandlung negieren und hier einen Dogmatismus an den Tag legen, der seinesgleichen sucht, ist wirklich nicht hinzunehmen. Und es ist ja bei Weitem nicht nur Irland, werte Kolleginnen und Kollegen, das die Öffnung der Ehe beschlossen hat. Unzählige Staaten haben das bereits umgesetzt, allen voran auch unser Nachbarland Frankreich. Bislang, Herr Thümler, kann ich auch nicht erkennen, dass das den Fortbestand der französichen Gesellschaft irgendwie gefährden würde. Überhaupt Herr Thümler müssen Sie mir das, was Sie in der Braunschweiger Zeitung geschrieben haben, einmal erklären. Die Logik, die Sie da an den Tag gelegt haben, hat mit der heutigen Gesellschaft doch wirklich nichts mehr zu tun. Es gibt unverheiratete Menschen mit Kindern, es gibt verheiratete Menschen ohne Kinder, es gibt Alleinerziehende und es gibt heutzutage einen beachtlichen Teil Menschen, die alleine leben, ohne feste Partnerschaft. Was die Ehe heutzutage mit dem Fortbestand unseres Landes zu tun hat, kann ich daher beim besten Willen nicht erkennen. Und dass Ehe nicht gleich Familie ist, das müssen Sie wohl langsam einfach mal akzeptieren, wenn Sie eine zeitgerechte Familienpolitik machen wollen.

Ich kann es auch wirklich nicht nachvollziehen, dass Sie als wertkonservative Partei, es nicht begrüßen, wenn Menschen heutzutage sagen: Ja, ich will – Verantwortung übernehmen für einen Menschen, mit dem ich meine Zukunft gestalten möchte. Ja, ich will – für einen anderen Menschen da sein, in guten wie in schlechten Zeiten. Diese Form des Zusammenseins und der Verantwortung ist doch etwas, für das Sie stehen wollen – und Herr Thümler, vielleicht erklären Sie mir bei Gelegenheit auch mal, warum Frankreich, Spanien, Irland und viele weitere Länder trotz christlicher Prägung eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen.

Erfreulicher Weise gibt es in Ihrer Partei ja mittlerweile auch viele Menschen, die genau wie ihre Wählerschaft, sich ganz klar für Gleichberechtigung und eine Öffnung der Ehe aussprechen. Nehmen wir das Präsidiumsmitglied Jens Spahn, der in seinem offenen Brief ganz eindrücklich verdeutlicht, was diese Debatte, wie auch Sie sie gerade führen, Herr Thümler, mit den Menschen macht, über die wir hier reden – Sie stoßen sie vor den Kopf. Warum eigentlich?

Aber auch hier in den Reihen der niedersächsischen CDU gibt es ja diverse Abgeordnete, die das ganz ähnlich einschätzen wie Jens Spahn. 2013 haben Sie die Abstimmung zu diesem wichtigen, gesellschaftspolitischen Thema hier im Landtag freigegeben und es haben einige Abgeordnete ihrer Fraktion nach einer ausgiebigen Debatte in den eigenen Reihen, der rot-grünen Initiative für die Öffnung der Ehe für alle zugestimmt, ebenso wie die FDP. Umso mehr erstaunt es mich, Herr Thümler, dass Sie nach einem solchen Vorlauf in Ihrer eigenen Fraktion und der vielen Stimmen aus ihrer Partei, letzte Woche in der Braunschweiger Zeitung Argumente aus der Mottenkiste herausgeholt haben – als gäbe es innerhalb der CDU keine zwei Meinungen zu dieser Frage. Das finde ich äußerst bedauerlich!

Meine Damen und Herren von der CDU, trauen Sie sich, damit sich in Zukunft auch alle anderen Menschen trauen können – zumindest, wenn sie es wollen. Ich hoffe, dass auch die CDU Bundestagsfraktion ihrem niedersächsischen Beispiel folgt und, sollte Sie der Initiative nicht zustimmen, zumindest ihren Abgeordneten die Entscheidung freigibt. Und ich hoffe, dass wir bald einer Gesellschaft näher kommen, für die sich alle hier unabhängig von der Parteizugehörigkeit engagieren: Eine Gesellschaft frei von Diskriminierung und Benachteiligung. Vielen Dank.

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