Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung:Nachfrage: Einordnung des Todes von C. S. am 08.12.2017 in die polizeiliche Kriminalstatist

Vorbemerkung der Abgeordneten
In der Antwort in der Drs. 18/11044 auf die Kleine Anfrage in der Drucksache 18/10851 „Einordnung
des Todes von C. S. am 08.12.2017 in die polizeiliche Kriminalstatistik“ führt die Landesregierung
aus, dass keine Hinweise auf eine politische Motivation vorgelegen hätten oder vorlägen. „Im Rahmen der Ermittlungen, in die auch die Sachbearbeitung des Polizeilichen Staatsschutzes eingebunden war, konnten keine Hinweise auf eine politische Motivation des Täters festgestellt werden.“
In der Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 04.02.2021 war der Tod von C. S. bereits
im Rahmen der Unterrichtung zum Antrag „Kriterien zur Anerkennung Todesopfer rechter Gewalt
anpassen - Überprüfung der offenen Fälle durch wissenschaftliche Untersuchung abschließen“ angesprochen worden. Ein Vertreter des Innenministeriums führte in der Sitzung aus, dass es aus
staatsschutzpolizeilicher Sicht „überhaupt keinen Zweifel (gäbe), dass es sich (bei dem Tod vom
C. S.) um eine rechtsmotivierte Tat handele. Seines Wissens sei aus polizeilicher Sicht zu keiner Zeitstrittig gewesen, dass die Tat entsprechend einzustufen und zu klassifizieren sei.“
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) und des Extremismus in all seinen Phänomenbereichen ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt in den Kernaufgaben der Sicherheitsbehörden. Die Landesregierung geht entschlossen gegen diese Phänomene vor und nutzt das gesamte
rechtsstaatliche Instrumentarium, um diese Kriminalitätsformen wirksam zu bekämpfen.
Gegen rechtsmotivierte Straf- und Gewalttäter geht die Landespolizei unter Anwendung einer „Null-Toleranz-Strategie“ konsequent vor. Im Rahmen der Gefahrenabwehr wird die Polizei bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen tätig. Der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) gewährleistet die einheitliche und systematische Erhebung der gesamten Daten zur PMK im Bundesgebiet
und im Ausland, soweit hierzu in Deutschland ein Ermittlungsverfahren geführt wird.
Das Definitionssystem PMK stellt die tatauslösende politische Motivation in den Mittelpunkt. Die differenzierte, mehrdimensionale Erfassung von Tat-, Täter- und Opfermerkmalen im KPMD-PMK ermöglicht eine qualifizierte und aussagekräftige Lagedarstellung. Somit können u. a. Aussagen zu
Deliktsqualität, Themenfeldern, Phänomenbereichen, Angriffszielen, Tatmitteln, internationalen Bezügen und extremistischen Ausprägungen getroffen werden.
Auf Grundlage des Definitionssystems werden der PMK u. a. Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
sie gegen eine Person wegen ihrer zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder Engagements, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörig-
keit, Weltanschauung, sozialen Status, physischen und/oder psychischen Behinderung oder Beeinträchtigung, sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität oder äußeren Erscheinungsbildes
gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Bei der Würdigung der Umstände
der Tat ist neben anderen Aspekten auch die Sicht der betroffenen Person mit einzubeziehen.
Die Einordnung einer Straftat als „politisch motiviert“ findet anhand der Motivlage der Täter / des
Täters bei Begehung der Tat statt. Eine gegebenenfalls vorhandene Täter-Opfer-Beziehung schließt
die Einstufung einer Straftat als Delikt der Politisch Motivierten Kriminalität nicht generell aus. Wird
allerdings im Rahmen der Ermittlungen festgestellt, dass das tatauslösende Motiv nicht mit der politischen Einstellung des Täters zusammenhängt, sondern auf anderen Grundlagen fußt, ist die Tat
nicht der PMK zuzurechnen.
Der PMK -rechts- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder
der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung
(z. B. nach Art der Themenfelder) einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat
bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Der wesentliche Kerngedanke einer „rechten“
Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/Ungleichwertigkeit der Menschen. Insbesondere sind
Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus
oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Diese politisch
motivierten Straftaten sind in der Regel als rechtsextremistisch zu qualifizieren.
Bei der Bearbeitung von Delikten der PMK findet ein mehrstufiger Prozess hinsichtlich der Einordnung der jeweiligen Taten statt. Seitens der sachbearbeitenden Polizeidienststelle ist unverzüglich
eine Kriminaltaktische Anfrage in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KTA-PMK) zu erstellen und
dem Landeskriminalamt (LKA) zuzuleiten. Das LKA kontrolliert die einheitliche Anwendung der Definitionen und Erfassungskriterien und leitet die KTA-PMK an das Bundeskriminalamt (BKA) weiter.
Bei bedeutsamen Ermittlungsfortschritten (z. B. Täterermittlung) oder wenn sich für die Lagebeurteilungen Veränderungen ergeben, sind Ergänzungsmeldungen durch Nachtrags-KTA-PMK abzusetzen, und nach Abschluss der Ermittlungen ist von der zuständigen Staatsschutzdienststelle eine Abschluss-KTA-PMK zu übersenden.
Ergeben der Polizei bekannte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichtes, dass
die Gründe, die zur Aufnahme in den KPMD-PMK geführt haben, oder wesentliche Angaben der
KTA-PMK-Abschlussmeldung nicht zutreffen, so unterrichten die Staatsschutzdienststellen das zuständige LKA. Seitens des LKA wird daraufhin überprüft, inwieweit gegebenenfalls Veränderungen
in fallbezogenen Datensätzen vorzunehmen sind und das BKA dazu erforderlichenfalls zu unterrichten ist. Dieses Verfahren führt - soweit erforderlich - dementsprechend auch zur Anpassung der statistischen Erfassung des jeweiligen Deliktes. Neben dem polizeilichen KPMD-PMK führen die niedersächsischen Staatsanwaltschaften eine Statistik, in der Ermittlungsverfahren, denen rechtsextremistische/fremdenfeindliche Straftaten zugrunde
liegen, erfasst werden. Dabei wird in jedem Einzelfall auch durch die Justiz geprüft, ob einer Straftat
eine rechtsradikale Tatmotivation zugrunde liegt. Zudem wird wenn es zur Anklage kommt durch
das nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführte Strafverfahren sichergestellt, dass eine etwaige politisch motivierte Tat als solche erkannt und entsprechend eingeordnet wird. Die Tatmotivation stellt einen wesentlichen Gesichtspunkt dar, über den das Gericht entsprechend Beweis erhebt
und den es im Rahmen der Strafzumessung in gebotener Weise berücksichtigt.
Dies vorangestellt, hat ein Vertreter des Ministeriums für Inneres und Sport (MI) im Rahmen der
Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport (AfIuS) am 04.02.2021 zum in Rede stehenden Fall
ausgeführt, dass es aus staatsschutzpolizeilicher Sicht „überhaupt keinen Zweifel (gäbe), dass es
sich (bei dem Tod vom C. S.) um eine rechtsmotivierte Tat handele. Seines Wissens sei aus polizeilicher Sicht zu keiner Zeit strittig gewesen, dass die Tat entsprechend einzustufen und zu klassifizieren sei.“
Die Aussage des Vertreters des MI im Rahmen der AfIuS-Sitzung vom 04.02.2021 zum Fall C. S. ist
bedauerlicherweise offenkundig auf ein Missverständnis im Rahmen einer Frage in der Sitzung zurückzuführen und steht im Widerspruch zu den seinerzeitigen und auch aktuellen polizeilichen und justiziellen Feststellungen.
Im Fall C. S. konnten im Rahmen der Ermittlungen, in die auch die Sachbearbeitung des Polizeilichen
Staatsschutzes eingebunden war, keine Hinweise auf eine politische Motivation des Täters festge-
stellt werden. Ebenfalls wurden in der justiziellen Befassung weder Hinweise auf eine politisch, ras-
sistisch oder religiös motivierte noch auf eine gegen den gesellschaftlichen Status oder die sexuelle
Orientierung des Opfers gerichtete Tat erlangt. Insofern hat die Antwort der Landesregierung in der
Drs. 18/11044 auf die Kleine Anfrage in der Drucksache 18/10851 „Einordnung des Todes von C. S.
am 08.12.2017 in die polizeiliche Kriminalstatistik“ weiterhin Bestand.
1. Wie bewertet die Landesregierung die oben zitierte Äußerung des Vertreters des Innen-
ministeriums in der Ausschusssitzung vom 04.02.2021?

Siehe Vorbemerkung der Landesregierung.
2. Wurde der Tod von C. S. zu Beginn der Ermittlungen als politisch motiviert rechts einge-
stuft? Wenn ja, was führte zu einer Ausstufung?

Siehe Vorbemerkung der Landesregierung.
3. Wie erklärt sich die Landesregierung den Widerspruch zwischen der Aussage des Ver-
treters des Innenministeriums im Ausschuss und der Beantwortung der o. g. Kleinen
Anfrage?

Siehe Vorbemerkung der Landesregierung

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