Kleine Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung:Führen die bestehenden und geplanten Regelungen der Landesregierung zu Schließungen von Großtagespflegeeinrichtungen?

Vorbemerkung der Abgeordneten

Im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens zum neuen niedersächsischen KiTa-Gesetz wurde der Wunsch nach einer Festlegung von Mindeststandards für die Kindertagespflege geäußert, da die Rahmenbedingungen der Kindertagespflege als sehr unterschiedlich wahrgenommen werden.

In anderen Bundesländern, wie beispielsweise NRW oder Schleswig-Holstein, gibt es solche einheitlichen Standards bereits. In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages 2017 bis 2022 wurde u. a. vereinbart: „Für den wichtigen Bereich der Kindertagespflege streben wir einheitliche pädagogische Standards sowie Verbesserungen bei der Qualifizierung und bei der Kooperation zwischen den Institutionen an.“ Umgesetzt werden sollte dies u. a. mit dem Gute-KiTa-Gesetz des Bundes, welches als gesondertes Handlungsfeld eine „Starke Kindertagespflege“ ausweist: „Um die Kindertagespflege weiterzuentwickeln, zielt das Handlungsfeld ‚Starke Kindertagespflege‘ auf eine professionelle Qualifizierung und bessere Arbeitsbedingungen für Tagesmütter und Tagesväter ab.“

Derzeit erreichen uns Zuschriften, dass es zu ersten Kündigungen von Mitarbeitenden und Auszubildenden sowie Schließungen im Bereich der Kindertagespflege mit der Begründung kommt, dass die Regelungen zur Altersstruktur der Kinder in Tagespflegeeinrichtungen (§ 19) im neuen niedersächsischen KiTa-Gesetz für die Großtagespflege einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machen. Im überarbeiteten Gesetzentwurf ist nun eine Übergangsfrist eingebaut, die bis zur neuen Pflegeerlaubnis, die durch den Jugendhilfeträger ausgestellt wird, reicht. Diese wird alle fünf Jahre erneuert, sodass die Übergangsfrist für einige Einrichtungen nur wenige Wochen beträgt, während andere fünf Jahre von der Übergangsfrist profitieren können. Dieses Ungleichgewicht führt zu individuellen Nachteilen sowie juristischen Unklarheiten, wenn beispielsweise zwei Personen mit unterschiedlich lange gültigen Pflegeerlaubnissen in der Großtagespflege zusammenarbeiten.

 

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) regelt seit 1993 einheitliche Mindestanforderungen an die Strukturqualität von Kindertageseinrichtungen in Niedersachsen. Damit soll gewährleistet werden, dass Kinder in Niedersachsen strukturell ähnlich ausgestattete Bildungsangebote in Kindertageseinrichtungen vorfinden. Das KiTaG wurde in der Vergangenheit ausschließlich punktuell zur Umsetzung einzelner bildungspolitischer Initiativen geändert. Damit entspricht es in vielen Bereichen nicht mehr den rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen der Betreuungspraxis im frühkindlichen Bereich. Die Kindertagespflege, die einen bedeutenden Anteil im Bereich der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen einnimmt, ist im derzeit gültigen KiTaG nicht geregelt. Mit Unterzeichnung des Vertrages zur Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiQuTG; sogenanntes Gute-KiTa-Gesetz), hat sich die Landesregierung gegenüber dem Bund verpflichtet, die Kindertagespflege in eine dauerhafte gesetzliche Regelung zu überführen.

Am 16. März 2021 hat die Landesregierung den „Gesetzentwurf zur Neugestaltung des niedersächsischen Rechts der Tageseinrichtungen für Kinder und der Kindertagespflege“ (NKiTaG-E) in den Landtag eingebracht. Der Gesetzentwurf wurde federführend in den Kultusausschuss überwiesen; mitberatend sind der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. In der Kultusausschusssitzung am 26. März 2021 hat sich der Ausschuss darauf verständigt, am 7. Mai 2021 eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchzuführen. Geplant ist, dass das Gesetz zum 1. August 2021 in Kraft tritt. Eine Verabschiedung wird im Juli-Plenum des Landtags erwartet.

Die Finanzierung der Kindertagespflege erfolgt bisher über die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Betreuungsangebotes in der Kindertagespflege“ (RKTP) vom 3. Juni 2020 (Nds. MBl. S. 605). Mit der Überführung dieser Richtlinie in das neue Gesetz wird eine dauerhafte, gesetzliche Grundlage für die Finanzierung der Kindertagespflege in Niedersachsen geschaffen (§§ 34, 35 NKiTaG-E). Gleichzeitig sollen - wie in der Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Christlich-Demokratischen Union für die 18. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages (2017 bis 2022) angestrebt - verbindliche Qualitätsstandards für die Kindertagespflege landesgesetzlich verankert werden. So soll der bisherige Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindertagesstätten im Gesetzentwurf der Landesregierung fortgeschrieben und künftig auch auf die Kindertagespflege erstreckt werden (§§ 2, 4 NKiTaG-E). Ebenso soll die erforderliche Qualifikation der Kindertagespflegepersonen verbindlich festgeschrieben werden (§ 18 Abs. 1 NKiTaG-E). Zudem wurden Regelungen zur fachlichen Fortbildung sowie zur pädagogischen Beratung und fachlichen Begleitung der Kindertagespflegepersonen in den Gesetzentwurf mit aufgenommen (§ 18 Abs. 2 NKiTaG-E). Ebenso werden die Anzahl der Betreuungsverhältnisse sowie die Anzahl der in Zusammenarbeit von Kindertagespflegepersonen zu betreuenden Kinder aus Kindeswohlgründen begrenzt. Gemäß § 4 Abs. 6 NKiTaG-E sollen die Kindertagesstätten und die Kindertagespflegepersonen miteinander und mit Einrichtungen ihres Einzugsbereichs zusammenarbeiten, insbesondere mit den Schulen des Primarbereichs.

 

1. Wie will die Landesregierung das Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung für einheitliche Standards (bezogen auf Gruppengröße, Altersstruktur, Betreuungsstundenbetrag) in der Kindertagespflege umsetzen?

Das derzeit gültige KiTaG - und damit auch die Neufassung dieses Gesetzes - ist ein Ausführungsgesetz zum Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung dient es der landesrechtlichen Umsetzung und Konkretisierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Bundes.

Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII befugt die Erlaubnis zur Kindertagespflege zur Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern. Im Einzelfall kann die Erlaubnis für eine geringere Zahl von Kindern erteilt werden, § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII.

Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII hat ein Kind, welches das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf (§ 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII mit Verweis auf § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII).

Gemäß § 24 Abs. 3 SGB VIII hat ein Kind, welches das dritte Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in der Kindertagespflege gefördert werden (§ 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).

Die Gruppengröße, die Altersstruktur und der Betreuungsstundenbetrag sind bundesrechtlich vorgegeben.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen

 

2. Welche Konsequenzen entstehen nach Meinung der Landesregierung aus den zahlenmäßigen Vorgaben in § 19 des Entwurfs des niedersächsischen KiTa-Gesetzes für die Kindertagespflege und speziell die Großtagespflege?

§ 19 Abs. 1 Satz 1 NKiTaG-E sieht vor, dass bei gemeinsamer Nutzung von Räumen durch mehrere Kindertagespflegepersonen (Zusammenarbeit von Kindertagespflegepersonen) höchstens zehn gleichzeitig anwesende fremde Kinder durch insgesamt höchstens drei Kindertagespflegepersonen betreut werden dürfen. Diese Regelung geht zurück auf die Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter der Länder Niedersachsen und Bremen zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Kindertagespflegepersonen „Kindertagespflege in anderen Räumen“ (Mai 2008). Aufgrund der langjährigen Praxis in Niedersachsen werden mit dieser Regelung keine abweichenden Auswirkungen gegenüber der jetzigen Praxis erwartet.

Sind unter den gleichzeitig anwesenden fremden Kindern mehr als drei Kinder, die das zweite Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen höchstens acht gleichzeitig anwesende fremde Kinder betreut werden (§ 19 Abs. 1 Satz 2 NKiTaG-E). Mit § 19 Abs. 1 Satz 2 NKiTaG-E soll den erhöhten Anforderungen in der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres Rechnung getragen werden. Die Regelung ist dem Schutz der unter Zweijährigen und deren Bedürfnis nach konstanten und überschaubaren Gruppen und sicheren Beziehungen auch unter den Kindern geschuldet. Die besondere Herausforderung bei der Zusammenarbeit von Kindertagespflegepersonen besteht darin, dass von den zusammenarbeitenden Kindertagespflegepersonen insgesamt bis zu 16 Betreuungsverhältnisse vereinbart werden können (§ 19 Abs. 1 Satz 3 NKiTaG-E), die auch zu unterschiedlichen Zeiten am Tag zu ständig wechselnden Betreuungssituationen führen können, sodass aus fachlicher Sicht höchstens acht fremde Kinder gleichzeitig anwesend sein dürfen, wenn zeitgleich drei Kinder unter zwei Jahren betreut werden sollen.

Zudem soll mit der Überführung der Kindertagespflege in das Gesetz der bisherige Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindertagesstätten auch auf die Kindertagespflege erstreckt werden (§§ 2, 4 NKiTaG-E). Somit haben künftig auch die Kindertagespflegepersonen den in § 2 NKiTaG-E fortgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen. Dies dient vor allem der Qualitätssteigerung der Kindertagespflege. Zudem werden damit - wie im Koalitionsvertrag angestrebt - einheitliche pädagogische Standards auch für die Kindertagespflege gesetzt. Dies benötigt Zeit und Kontinuität in der Arbeit mit den Kindern. Die neu aufgenommene Regelung dient damit der Sicherstellung der Betreuungsqualität in der Kindertagespflege und vor allem dem Kindeswohl. Der Regelungsansatz folgt der Systematik der Gruppenreduzierung, die auch für Krippengruppen und alterststufenübergreifende Gruppen gilt, sofern in diesen Gruppen viele Kinder unter zwei bzw. drei Jahren betreut werden.

Bei der Erlaubnis zur Kindertagespflege handelt es sich um eine personengebundene (nicht kindbezogene) und an bestimmte Räumlichkeiten geknüpfte Erlaubnis. Soweit bei der Zusammenarbeit von Kindertagespflegepersonen die nach bisherigem Recht bestehende Erlaubnis zur Kindertagespflege eine Betreuung in gemeinsam genutzten Räumen von bis zu zehn Kindern ermöglicht, soll die Betreuung von bis zu zehn Kindern in gemeinsam genutzten Räumen bis zum Ablauf der befristeten Erlaubnis zur Kindertagespflege möglich bleiben (§ 19 Abs. 1 Satz 4 NKiTaG-E). Damit trägt der Gesetzentwurf dem Vertrauensschutz Rechnung. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Regelung der Wahrung und Gewährleistung des Kindeswohls dient.

Arbeiten Kindertagespflegepersonen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 NKiTaG-E zusammen, so sollen sie insgesamt für nicht mehr als 16 Kinder Betreuungsverhältnisse vereinbaren dürfen (§ 19 Abs. 1 Satz 3 NKiTaG-E). Die Beschränkung in § 19 Abs. 1 Satz 3 NKiTaG-E bezieht sich auf die Betreuungsverhältnisse insgesamt. Die Erlaubnis zur Kindertagespflege befugt auch weiterhin zur Betreuung von bis zu zehn gleichzeitig anwesenden fremden Kindern.

Im Hinblick auf § 19 Abs. 3 NKiTaG-E ist festzuhalten, dass sich eine vergleichbare Regelung bereits derzeit in § 15 Abs. 2 Satz 2 Nds. AG SGB VIII findet. Im Übrigen soll mit § 19 Abs. 3 Satz 2 NKiTaGE eine Besitzstandswahrung normiert werden. 

 

3. Wie will die Landesregierung Schließungen von Kindertagespflegeeinrichtungen wegen der für manche Einrichtungen sehr kurzfristigen Übergangsregelungen verhindern?

Mit dem NKiTaG sollen künftig einheitliche Rahmenbedingungen für die Kindertagespflege normiert werden. Die Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 4 NKiTaG-E stellt einen Bestandsschutz für bereits tätige Kindertagespflegepersonen dar und verschafft die notwendige Zeit für erforderliche Anpassungen.

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