Kleine Anfrage zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung:Wie weit ist Landesregierung bei der Umsetzung und Förderung zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen für die jüdischen Gemeinden in Niedersachsen? (Teil 1+2)

Vorbemerkung der Abgeordneten

Nach dem rechtsextremen Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle im Oktober 2019 sprachen sich sowohl der Niedersächsische Landtag als auch die Landesregierung für eine Erhöhung der Sicherheit der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen aus. Der Verband der Liberalen Jüdischen Gemeinden forderte, dass neben Synagogen auch Einrichtungen wie jüdische Kindergärten stärker geschützt werden sollten (HAZ vom 18.10.2019). In seiner Haushaltssitzung im Dezember 2019 erhöhte der Landtag die Mittel an die jüdischen Gemeinden nach einem Brief der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die anderen Fraktionen. Das Landeskriminalamt hat danach gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden neue Sicherheitskonzepte und entsprechende Kostenvoranschläge erarbeitet. Doch bisher ist kein Geld geflossen. In anderen Bundesländern sei das Geld bereits geflossen, sagt der jüdische Zentralrat. Zudem kritisieren die jüdischen israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen, dass die Erhöhung der Staatsleistungen nicht ausreiche und in damaligen Gesprächen ein zusätzlicher Fördertopf für Sicherheit beim Innenministerium vereinbart worden sei. Laut Innenministerium gibt es einen solchen Fördertopf nicht (NP vom 12.06.2020).

Vorbemerkung der Landesregierung

In der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 05.12.2019 in Berlin befassten sich diese mit dem Schutz des jüdischen Lebens und der stärkeren Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland. Im Ergebnis wurden die bisherigen Maßnahmen des Bundes und der Länder zum Schutz jüdischen Lebens und zur Bekämpfung des Antisemitismus begrüßt und festgehalten, dass Bund und Länder ihre Schutzmaßnahmen fortwährend entsprechend der Gefährdungsbewertung anpassen. Zudem werden Bund und Länder die jüdischen Gemeinden beratend, administrativ und finanziell dabei unterstützen, notwendige bauliche und technische Sicherheitsmaßnahmen zügig umzusetzen.

Hinsichtlich polizeilicher Schutzmaßnahmen gilt, dass im Rahmen einer differenzierten Einzelfallbetrachtung die für eine effektive Gefahrenabwehr als notwendig erachteten und rechtlich zulässigen Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen getroffen werden.

Auf der Grundlage im Einzelfall vorliegender sicherheitsrelevanter Erkenntnisse erfolgen durch niedersächsische Sicherheitsbehörden Bewertungen hinsichtlich einer Gefährdungslage und, unter Einbeziehung der einschlägigen Vorschriftenlage und Befugnisse, darauf aufbauend die Initiierung oder Durchführung gegebenenfalls temporär erforderlicher konkreter Maßnahmen. Regelmäßige Kontaktaufnahmen und Sensibilisierungsgespräche gehören zum Standardrepertoire polizeilicher Maßnahmen. Mit dem Anschlagsgeschehen in Halle wurden die Schutzmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen erhöht und die Polizeibehörden um entsprechende aktive Kontaktaufnahmen dorthin gebeten.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat im Bereich der Polizeilichen Kriminalprävention Sicherungsempfehlungen für jüdische Einrichtungen in Niedersachsen erstellt. Die regionalen Polizeibehörden wurden sensibilisiert, den Kontakt mit den Einrichtungen zu suchen bzw. fortzuführen und technische Beratungen zu Sicherungseinrichtungen proaktiv anzubieten.

Die monetäre Unterstützung von jüdischen Gemeinden durch Kommunen unterliegt wegen der Selbstverwaltungsgarantie ausschließlich deren Entscheidungshoheit.

Eine finanzielle Unterstützung zur „technischen/baulichen“ Sicherung von Einrichtungen oder gegebenenfalls für private Sicherheitsdienste erfolgt aus Haushaltsmitteln der Polizei nicht. Die Polizei steht den Vereinen zur konkreten Ausgestaltung von Sicherungsmaßnahmen beratend zur Seite; die Entscheidung über die Realisierung bzw. Durchführung von nicht polizeilichen Sicherungsmaßnahmen obliegt dabei den Verbänden.

1. Wie hat die Landesregierung die Zuständigkeiten für die beschlossenen zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen geregelt?

Der Haushaltsgesetzgeber hat im Dezember 2019 beschlossen, dass im Jahr 2020 die vertraglichen Landesleistungen an die beiden jüdischen Landesverbände einmalig um insgesamt 2 Millionen Euro zur Intensivierung und Sicherstellung jüdischen Lebens erhöht werden.

Etatisiert sind die Haushaltsmittel im Bereich des Kultusministeriums (Kapitel 0765 des Haushaltsplans). Der Haushaltsansatz ist bei Titel 684 34 (Zuschuss an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen) um 1,6 Millionen Euro auf rund 4,237 Millionen Euro und bei Titel 684 35 (Zuschuss an den Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden von Niedersachsen) um 400 000 Euro auf rund 827 000 Euro erhöht worden.

Grundlage für diese Landesleistungen sind der „Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen“ vom 08.01.2013 sowie der „Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden von Niedersachsen“ vom 03.01.2008 in der Fassung vom 08.01.2013. Da es sich hierbei um vertragliche Leistungen handelt, müssen beide Verträge geändert werden. Am 23.06.2020 sind die Vertragsverhandlungen mit den beiden Landesverbänden auf Arbeitsebene einvernehmlich abgeschlossen worden. Nunmehr wird das formelle Verfahren gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO) durchgeführt. Danach nimmt die Landesregierung die Entwürfe der Änderungsverträge zustimmend zur Kenntnis und beschließt, den Landtag gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 1 GGO über die Änderungsverträge zu unterrichten. Nach Unterrichtung des Landtages werden die Änderungsverträge von den Vertragsparteien unterzeichnet.

Es ist geplant, die gemäß Artikel 35 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung notwendige Zustimmung des Landtages zu den unterzeichneten Verträgen im September dieses Jahres einzuholen.

2. Wurde für die beschlossenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ein Sonderfonds gebildet?

Nein. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 1 verwiesen.

3. Wenn ja, wie und wo wird dieser innerhalb der Landesregierung verwaltet?

Entfällt.

Teil II

 

1. Wie wurde die Ausgestaltung einer erweiterten Finanzierung von zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinden und Verbänden vereinbart (bitte Daten, Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer und mögliche Mitschriften anfügen)?

Im Zusammenhang mit einer Verstärkung der Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen fanden am 17.10.2019 und 04.03.2020 Gespräche der Polizeidirektion Hannover mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden und weiteren Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinden statt. An dem ersten Gespräch nahm auch der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Herr Boris Pistorius, teil. Zur Finanzierung bautechnischer Sicherheitsmaßnahmen jüdischer Einrichtungen wurde in beiden Gesprächen darauf verwiesen, dass die Landesregierung die Finanzierung unterstütze.

Vereinbarungen zur Ausgestaltung einer erweiterten Finanzierung im Sinne der Fragestellung wurden bei den Gesprächen nicht getroffen.

Am 23.06.2020 hat das Kultusministerium mit Genehmigung des Herrn Ministerpräsidenten mit beiden jüdischen Landesverbänden die Vertragsverhandlungen aufgenommen und hierbei Einvernehmen erzielt. An dem Gespräch haben Frau Katharina Seidler und Herr Michael Fürst als Vertreterin bzw. Vertreter der beiden jüdischen Landesverbände und auf Seiten des Kultusministeriums Herr Ministerialrat Rainer Stanke und eine Sachbearbeiterin teilgenommen. Mitschriften sind ebenfalls nicht gefertigt worden.

2. Wurden mit Stand Ende Mai 2020 schon Maßnahmen genehmigt? Wenn ja, bitte auflisten, wo und wie viel, wenn nein, bitte begründen.

Nein. Zur Begründung wird auf die Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage „Wie weit ist Landesregierung bei der Umsetzung und Förderung zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen für die jüdischen Gemeinden in Niedersachsen? (Teil 1)“ (Drs. 18/6905) verwiesen.

3. Plant die Landesregierung, ab dem Haushalt 2021 Mittel zur Sicherung jüdischer Einrichtungen zu verstetigen? Wenn nein, bitte begründen.

Im Rahmen der Haushaltsanmeldungen für 2021 ist im Bereich des Kultusministeriums ein Mehrbedarf bei Kapitel 0765 Titel 684 34 (Zuschuss an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen) in Höhe von 1,6 Millionen Euro und bei Titel 684 34 (Zuschuss an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen) in Höhe von 400 000 Euro angemeldet worden. Wie bei vergleichbaren Staatsleistungen üblich, sollen diese Beträge in ihrer Höhe laufend an die Veränderungen der Besoldung der Landesbeamtinnen und -beamten angepasst werden. Die Ansätze sollen in der Mittelfristigen Finanzplanung entsprechend fortgeschrieben werden. 

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