Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung:Gelten die Lüftungsempfehlungen des Landes für Kitas und Schulen auch für Passivgebäude sowie Gebäude mit modernen Lüftungsanlagen?

Vorbemerkung der Abgeordneten

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie hat das Niedersächsische Kultusministerium für den Betrieb von Schulen und Kindertagesstätten Empfehlungen für das Lüften der Räume gegeben. In der aktuellen Fassung für Schulen wird empfohlen, genutzte Räume alle 20 Minuten für 3 bis 10 Minuten (je nach Außentemperatur) zu lüften (Stoßlüften oder Querlüften) und währenddessen weiter zu unterrichten. Die Regel wird mit der Faustformel 20-5-20 auch mit Plakaten und Fensteranhängern an den Schulen beworben. In den Krippen und Kitas soll alle 30 Minuten Stoßlüftung (bzw. Querlüftung) für 3 bis 10 Minuten (je nach Außentemperatur), wenn möglich auch häufiger, die Luft im Raum austauschen.

Beide Empfehlungen sind für einfache Gebäude ohne Lüftungsanlagen nachvollziehbar. Durch die meist großzügig dimensionierten Heizungsanlagen (Heizflächen) können die Räume wieder aufgeheizt werden. Für Gebäude mit modernen Lüftungsanlagen mit qualitativ hochwertiger Wärmerückgewinnung (bis 87 %) sind die Empfehlungen aber nicht sinnvoll, so die Einschätzung des Dipl.-Ing. Uwe ter Vehn in einem Artikel der Deutschen Bauzeitschrift. Insbesondere bei Gebäuden mit Passivhausbauweise gibt es neben der modernen Lüftungstechnik nur kleine Heizflächen. Die Wärmebilanz setzt voraus, dass in der kalten Jahreszeit interne Wärmegewinne und solare Erträge über die Wärmerückgewinnung im Gebäude gehalten werden. Die Luftwechselraten über die Lüftungsanlagen seien mit mehr als dreimal pro Stunde großzügig ausgelegt und entsprächen einer alle 20 Minuten stattfindenden Fensterlüftung. So würden Aerosole kontinuierlich aus dem Raum abgesaugt, konstatiert ter Vehn weiter. Die neuen Regeln seien bei den Mitarbeitenden in Passivhaus-Kitas und -Schulen mindestens irritierend, sagt ter Vehn, der seit 1998 niedersächsische Kommunen beim Bau von Passivgebäuden und Lüftungstechnologien berät und betreut.

 

Vorbemerkung der Landesregierung

Räume mit raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlage) werden kontinuierlich und ausreichend mit Außenluft versorgt. Durch eine RLT-Anlage wird eine gleichmäßige und dauerhafte Absenkung einer möglichen Virenbelastung der Raumluft sichergestellt. Voraussetzung für die Nutzung einer RLTAnlage ist, dass die Anlage nicht im Umluftbetrieb läuft und eine Wartung gemäß VDI 6022 erfolgt.

Derartige raumlufttechnische Anlagen sind von (mobilen) Luftreinigungsgeräten zu unterscheiden. Letztere können in Einzelfällen die Lüftung als flankierende Maßnahme ergänzen, stellen jedoch keine gleichwertige Alternative dar. Nicht ausreichend zu belüftende Räume sind auch nicht vorübergehend als Unterrichtsräume geeignet.

 

1. Gelten die 20-5-20- bzw. 30-5-30-Regeln auch für Schulen und Kitas bzw. Krippen mit Lüftungsanlagen?

Für Räume in Schulen, die über eine raumlufttechnische Anlage (Lüftungsanlage) ausreichend beund entlüftet werden, gilt die 20-5-20-Regeln nicht. Das Land Niedersachsen hat den Schulen mit dem Rahmen-Hygieneplan Vorgaben zur Lüftung im Rahmen der Corona-Pandemie gemacht. Aktuell gültig ist der Rahmen-Hygieneplan in der Version 4.1 vom 26.11.2020. Dieser sieht unter Nr. 10.1 folgende Regelung vor: „Räume, die über eine raumlufttechnische Anlage (Lüftungsanlage) be- und entlüftet werden, sind dann nutzbar, wenn sichergestellt ist, dass die Anlage nicht im Umluftbetrieb läuft und eine Wartung gemäß VDI 6022 erfolgt.“ Diese Regelung besteht nahezu unverändert seit der Version 1.0 des Rahmen-Hygieneplans Schule Corona vom 23.04.2020.

Für Kindertageseinrichtungen sind Empfehlungen zur Reduktion des Übertragungsrisikos von COVID-19 im Rahmen-Hygieneplan Corona Kindertagesbetreuung enthalten. Danach wird empfohlen, dass die Räume insbesondere dann gelüftet werden, wenn sich die Kinder auf dem Außengelände aufhalten. Anders als in den Schulen sind die Aufenthalte der Kinder in den Kindertageseinrichtungen auf dem Außengelände nicht überwiegend auf Pausenzeiten beschränkt. Grundsätzlich wird eine regelmäßige Stoßlüftung nach etwa 30 Minuten für bis zu 5 Minuten (30-5-30-Prinzip) empfohlen. Da die verbrauchte Luftmenge abhängig vom Lungenvolumen ist, sollte im Rahmen der Betreuung von Schulkindern das Lüftungsintervall auf 20 Minuten herabgesetzt werden (20-5-20-Prinzip). Der Rahmen-Hygieneplan spricht in Bezug auf das Lüftungsintervall ausdrücklich von einer Empfehlung. Die konkreten baulichen Verhältnisse und Ausstattungsmerkmale vor Ort können davon abweichende Hygienemaßnahmen erforderlich machen, die in die nach § 36 Abs. 1 IfSG zu erstellenden Hygienepläne im Einzelfall vor Ort einfließen können und sollen.

 

2. Können Luftwechselraten von über drei Mal pro Stunde als Alternative zur Fensterlüftung angewandt werden?

Das Umweltbundesamt empfiehlt, dass zum Schutz vor infektiösen Partikeln pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen sollte (siehe: „Lüften in Schulen - Empfehlungen des Umweltbundesamtes zu Luftaustausch und effizientem Lüften zur Reduzierung des Infektionsrisikos durch virushaltige Aerosole in Schulen“ vom 15.10.2020). Die Luftwechselrate beschreibt die Häufigkeit des Luftaustausches pro Stunde und kann entweder durch eine regelmäßige Fensterlüftung oder durch eine raumlufttechnische Anlage erreicht werden.

 

3. Wie sollen Passivhaus-Schulen und -Kitas den Wärmeverlust ausgleichen?

Da Passivhaus-Gebäude in der Regel über raumlufttechnische Anlagen (Lüftungsanlagen) mit Wärmerückgewinnung verfügen, entstehen keine besonderen Wärmeverluste, die zusätzlich ausgeglichen werden müssten. 

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